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Beschluss des Landesparteitages vom 21. Juni 2014

23.06.2014
A2 - Langzeitsarbeitslosigkeit bekämpfen –
neue Wege in der Arbeitsförderungspolitik gehen
Der Bundesparteitag/der Parteikonvent möge beschließen:

Langzeitsarbeitslosigkeit bekämpfen –
neue Wege in der Arbeitsförderungspolitik gehen

Trotz steigender Beschäftigung und leicht sinkender Arbeitslosigkeit gibt es weiter gravierende Fehlentwicklungen am Arbeitsmarkt:
- fast ein Drittel aller Beschäftigten arbeitet in atypischen Erwerbs-formen,
- mehr als eine Million Menschen ist langzeitarbeitslos,
- besonders gravierend ist die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit.

Diese Situation ist im Land Bremen – trotz positiver Entwicklungen beim Wirtschaftswachstum – noch schwieriger als bundesweit. Im Land Bremen waren im Mai 2014 mehr als 37.000 Menschen arbeitslos, das ist eine Arbeitslosenquote von 10,8 Prozent gegenüber 6,6 Prozent im Bund. In Bremerhaven betrug die Arbeitslosenquote sogar 15,0 Pro-zent. Hinzu kommt eine hohe Langzeitarbeitslosigkeit in beiden Städ-ten, die auch schon lange anhält. Außerdem haben im Land Bremen mehr als 60 Prozent der Arbeitslosen keine abgeschlossene Berufsaus-bildung.

Viele der bisherigen Programme und Instrumente der Arbeitsmarktpolitik haben sich als ungeeignet erwiesen, diesen Fehlentwicklungen entgegen zu wirken. Darüber hinaus sind die eingesetzten Geldmittel unzureichend und wurden in den vergangenen Jahren weiter zurückgefahren. Allein die sogenannte „Instrumentenreform“ der alten Bundesregierung hat im Jahr 2012 für Bremen und Bremerhaven zu einer Kürzung der Budgets der Jobcenter um jährlich über 30 Millionen Euro geführt. Kürzungen in dieser Höhe übersteigen Bremens Möglichkeiten zur Kompensation bei weitem. Gleichzeitig wurden die Möglichkeiten, sinnvolle Maßnahmen für und mit Langzeitarbeitslosen durchzuführen erneut durch neue bürokratische Vorgaben erschwert. In Bremen – und auch an anderen Orten – hat die Debatte um die Bewilligungen von AGHen (Arbeitsgelegenheiten/Ein-Euro-Jobs) in Beschäftigungsprojekten unter den Stichworten „Zusätzlichkeit“ und „Wettbewerbsneutralität“ gravierende Mängel aufgezeigt und verdeutlicht, dass für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit neue Wege beschritten werden müssen.

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten akzeptieren nicht, dass Menschen aus unserer Arbeitswelt und den damit verbundenen sozialen Sicherungen und gesellschaftlichen Zusammenhängen ausgeschlossen werden. Sinnvolle Arbeit gehört für uns zur Würde des Menschen, aus ihr erwächst gesellschaftliche Teilhabe.

Ebenso, wie wir mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes und der damit verbundenen Stärkung des Tarifvertragssystems wieder Ord-nung in den Arbeitsmarkt bringen, bedarf es jetzt weiterer Schritte zu einer sozialstaatlich ausgerichteten Arbeitsmarktpolitik.

Wir erkennen aber auch, dass für einen Teil der Langzeitarbeitslosen die In-strumente der Orientierung auf schnelle Vermittlung in den ersten Arbeits-markt an Grenzen stößt. Zusätzliche Angebote öffentlich geförderter Beschäftigung müssen die soziale Teilhabe dieser Menschen sichern und eine Durchlässigkeit zum ersten Arbeitsmarkt – ggf. auch in längeren Perspektiven – ermöglichen.

Die Politik der ständig wechselnden Ausrichtung der Instrumente und der unzureichenden Finanzierung der öffentlich geförderten Beschäftigung (ögB) muss beendet werden – Arbeitslose und Kommunen brauchen Pla-nungssicherheit. Offensichtlich unsinnige Regelungen – besonders im Bereich der Genehmigung von AGHen – müssen umgehend abgestellt werden.

Wir fordern daher folgende Ziele in eine Reform der öffentlich gefördertern Beschäftigung (ögB) aufzunehmen:
- Ziel ist die Integration in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse – in der privaten oder öffentlichen Wirtschaft. Arbeit muss zur Integration beitragen, dazu gehört der Erwerb eigenständiger Ansprüche auf die Leistungen der Sozialversicherung durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
- Wir wollen öffentlich geförderte Beschäftigung näher an den ersten Arbeitsmarkt heranführen. Dazu muss der sogenannte „Passiv-Aktiv-Transfer“ ermöglicht werden. Die Aktivierung passiver Leistungen (ALG II und kommunale Leistungen) zur Finanzierung von öffentlich geförderter Beschäftigung muss bei allen Arbeitgebern – öffentlichen und privaten – möglich sein, wenn gleichzeitig sichergestellt ist, das Mitnahmeeffekte weitgehend ausgeschlossen sind und Arbeitslose nicht als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Beschränkungen wie „Zusätzlichkeit“ und „öffentliches Interesse“ sind dann verzichtbar. Eckpunkte für eine solche Förderung (Zuschusshöhe, Dauer, Degression usw.) müssen umgehend erarbeitet werden.
- Die Jobcenter bedürfen ausreichend Finanzierungsmittel für die Haushalte der Eingliederungshilfe und auch die Finanzierung von Qualifizierung und Unterstützung muss sichergestellt sein.
- Die Entlohnung in ögB muss entsprechend den geltenden Tarifverträgen oder den ortsüblichen Entgelten erfolgen, um den weiteren Bezug von Leistungen nach SGB II für die Betroffenen zu überwinden. Auch ögB muss „armutsfest“ sein.
- Für Projekte, die als ögB durchgeführt werden sollen, bedarf es einen regionalen Konsenses, der über örtliche Beiräte der Sozialpartner her-gestellt wird.
- ÖgB kann und soll den Ausbau und den Erhalt von zusätzlichen sozia-len Angeboten in den Regionen unterstützen und einen Beitrag zur Verbesserung der örtlichen Infrastruktur leisten. Erstes Ziel muss aber sein, die Beschäftigungsfähigkeit der einzelnen Arbeitslosen/des ein-zelnen Arbeitslosen zu verbessern, um damit – ggf. auch mittelfristig – den Übergang in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu schaffen.
- Das Instrument der „Arbeitsgelegenheiten" (Ein-Euro-Jobs) ist auf das ursprünglich gewünschte Ziel, der niedrigschwelligen und begleitenden Herauslösung aus gesellschaftlicher Isolation, der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Heranführung an Erwerbsarbeit im Rahmen von Integrationsplänen, auszurichten. Ein-Euro-Jobs sind nicht als „billige" Instrumente zu konzipieren, sondern als zielgerichtete, gut unterstützte und mit Qualifizierung begleitete Fördermaßnahmen für eng definierte Personenkreise auszurichten.
- Alle Instrumente der Arbeitsförderung müssen mit Qualifizierungs-maßnahmen zu verbinden sein. Der 2012 von der damaligen Bundes-arbeitsministerin von der Leyen eingeführte Ausschluss von „Qualifi-zierung und Arbeitsgelegenheiten" ist Unsinn und zu beenden. Ebenso ist die zeitgleich eingeführte Höchstförderdauer I von „24 Monaten in fünf Jahren“ als künstliches Konstrukt zu beseitigen.
- Die Bremer SPD bekräftigt ihre Beschlüsse zur Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik vom Juni 2010 und Mai 2012. Wir werden die Diskussion über die Reform der Förderinstrumente auf der Bundesebene weiter vorantreiben.