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Beschluss des Landesparteitages vom 2. Juni 2015

03.06.2015
A23/2015 - Vertrauen zurückgewinnen – mit ganzer Kraft für Bremen. Sozialdemokratische Schwerpunkte für die kommenden Koalitionsverhandlungen mit Bündnis 90/Die Grünen
Das Wahlergebnis bei der Bürgerschaftswahl enthält die klare Botschaft: Es gibt kein „weiter so“. Wir haben das Vertrauen vieler unserer Wählerinnen und Wähler in unsere Lösungskompetenz verloren.

Dennoch: Die SPD ist bei der Bürgerschaftswahl mit großem Abstand zur stärksten Partei in unserem Bundesland gewählt worden und hat einen klaren Regierungsauftrag erhalten. Diesen wollen wir verantwortlich wahrnehmen.

Wir wollen einen Neuanfang in der Politik des Senats und der Bürgerschaft. Wir müssen die Kritik vieler Menschen ernst nehmen, um die Zukunft unseres Bundeslandes zu sichern und verloren gegangenes Vertrauen in die Politik der SPD zurückzugewinnen.

Wichtig ist dabei, dass wir Entscheidungen treffen und die Schwerpunkte in der Politik des Senats und der zukünftigen Regierungskoalition so setzen, dass sie zu konkreten Veränderungen und Verbesserungen führen.

Unser Ziel bleibt dabei: Wir wollen mehr soziale Gerechtigkeit herstellen! Das bleibt Kernaufgabe der Sozialdemokratie – und wir werden verloren gegangenes Vertrauen zurückholen.

Das von Carsten Sieling vorgelegt Papier „Vertrauen zurückgewinnen – mit ganzer Kraft für Bremen“ beschreibt die wesentlichen Aufgabenfelder, auf denen sozialdemokratische Politik sich bewähren muss.

In den Koalitionsverhandlungen wollen wir diese von Carsten Sieling benannten Aufgabenfelder mit konkreten Maßnahmen und Schritten umsetzen. Wir wollen ein hohes Maß an Verbindlichkeit verbunden mit klaren Zielen als Auftrag für die Koalitionsverhandlungen.

Dabei ist klar: Bremen befindet sich weiter in einer extremen Haushaltsnotlage. Bis 2019 muss Bremen den mit dem Bund vereinbarten Konsolidierungspfad einhalten, auch um jährlich die notwendigen Hilfen in Höhe von 300 Mio. Euro zu erhalten und um in den laufenden Gesprächen zur Neugestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu unterstreichen, dass Bremen auch über 2020 hinaus eine Finanzausstattung benötigt, die die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse ermöglicht. Bremen steht zu seinen Verpflichtungen.
Das Ziel dieser konsequenten Finanzpolitik ist dabei weit mehr als die Einhaltung von Haushaltszahlen. Es geht um unsere politische Handlungsfähigkeit. Es geht darum, zukünftig nicht mehr von unseren Einnahmen in Zinsen stecken zu müssen, sondern sie stattdessen zu investieren in eine starke Wirtschaft, in gute Arbeitsplätze, in gute Bildung und Ausbildung und in den sozialen Zusammenhalt unserer Städte.

Wir wollen alle vertretbaren Möglichkeiten zur Einnahmesteigerung auf der kommunalen und auf der Landesebene nutzen und uns bundespolitisch für eine gerechte Steuer- und Verteilungspolitik stark machen. Und gleichzeitig müssen wir die innere Leistungskraft unserer Verwaltungen steigern, mit gestrafften und effizienten Strukturen und neuer Motivation wollen wir die Chancen einer zukunftsorientierten Personalbewirtschaftung nutzen. Unsere Politik erschöpft sich nicht in Haushaltsdisziplin. Der bremische Haushalt erfordert und ermöglicht Schwerpunktsetzungen, die wir im Interesse der Menschen in unserem Bundesland gestalten wollen.

Unsere zentralen Ziele

1. Arbeit bleibt Schlüssel zur Überwindung sozialer Spaltung und Armutsbekämpfung
In Bremen und Bremerhaven müssen mehr reguläre und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze mit Tariftreue und Guter Arbeit entstehen. Das bleibt Aufgabe der Arbeitsmarkt- und der Wirtschaftspolitik.

Gute Arbeit heißt für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten: die Bekämpfung des Missbrauches von Leiharbeit und Werkverträgen, die gleichwertige Entlohnung von Männern und Frauen.

- Wir setzen die weiteren Schritte zu einer Ausbildungsgarantie um und werden die Jugendberufsagentur (JBA) gemeinsam mit den Partnern zum Erfolge führen. Dazu werden wir die bisher eingesetzten Haushaltsmittel verstetigen. Wir orientieren uns für den weiteren Umbau der Übergangssysteme am Modell der Berufsqualifizierung. Wir werden dazu das System der beruflichen Schulen investiv und personell stärken.

- Wir wollen Tariftreue und Gute Arbeit ausbauen! Wir wollen die Anwendung von Tarifverträgen bei freihändiger Vergabe durch öffentliche Auftraggeber.

- Qualifizierungsoffensive für Langzeitarbeitslose:
Unsere Schwerpunktsetzung für abschlussbezogene Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen setzen wir fort. Wir werden dazu Projekte mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Berufsagentur (BA) einwerben und nötige Kofinanzierungsmittel im Haushalt bereitstellen.
 
- Zweiter Arbeitsmarkt mit „Öffentlich geförderter Beschäftigung“:
Wir wollen mit der BA und dem BMAS einen durchlässigen Sektor von öf-fentlich geförderter Beschäftigung in stadtteilbezogenen Aktivitäten und Projekten verabreden. Nötige Kofinazierungen stellen wir zur Verfügung.
2. Qualität in Bildung und stabile Strukturen!
Schulkonsens verlängern und Konzentration unserer finanziellen und konzeptionellen Anstrengungen in Maßnahmen gegen Unterrichtsausfall, Verbesserung der Voraussetzungen der Inklusion und in den Ausbau von Ganztagsgrundschulen.

Zur Anpassung der Vertretungsreserve, zur Absicherung der Inklusion, zum schrittweisen Ausbau des sozialindikatorbasierten Ganztagsangebotes an den Grundschulen und zur Qualitätsverbesserung, entsteht ein weiterer Bedarf von mindestens 200 Stellen in Bremen und Bremerhaven. Diesen Bedarf werden wir decken.

- Wir werden die Selbständigkeit der Schulen durch eine Stärkung der Steuerungskompetenz der Schulleitungen mit verbesserter Ausstattung deutlich erhöhen.

- Bildung von Anfang an! Wir werden die Kindertagesstätten stärken und sie in der Stadtgemeinde Bremen ins Bildungsressort überführen. Unsere Kompetenzen und Kapazitäten in den Horten nutzen wir für die Entwicklung des Ganztages. Bei den Unter-Dreijährigen wollen wir in allen Stadtteilen eine Versorgungsquote von mindestens 50 Prozent erreichen und vor allem in benachteiligten Stadtteilen deutlich zulegen. Für jedes Kind soll es zukünftig einen Rechtsanspruch auf eine Mindestbetreuungszeit von sechs Stunden einschließlich Mittagessen gelten. Mit einem Rahmenbildungsplan von 0 bis 10 Jahren, einem durchgängigen Sprachkonzept, einheitlichen Qualitätsstandards sowie einer Aufwertung des Berufes der Erzieherinnen und Erzieher geben wir dieser Neuorganisation eine sichere Zukunft.

- Öffentliche Immobilieninvestitionen durch angemessene Standardisierung optimieren: Für die erforderlichen Investitionen des aufholenden Kita-Ausbaus und des sozialindikatorenbasierten flächendeckenden Ausbaus der Ganztagsgrundschulen werden zur Kosteneinsparung standardisierte Ausbaumodule entwickelt und umgesetzt. Bei Baustandards orientieren wir uns an bundesgesetzlichen Anforderungen.
3. Wir wollen, dass Bremen und Bremerhaven wachsen
- Bremen ist eine wachsende Stadt, Wohnungsnachfrage befriedigen, Miet- und Immobilienpreise erschwinglich halten. Wir wollen neben der Innenentwicklung neue Flächen für den Wohnungsbau bereitstellen. Die Randbereiche der Osterholzer Feldmark um die Endhaltestelle der Linie 1 herum werden als Baugebiete ausgewiesen. Die Nutzung von Flächen am Hohentorshafen und Brinkmann/Gaswerksgelände für ein gemischtes Wohnquartier ist voranzutreiben (Weißflächen des F-Plans).

Die anstehenden rechtlichen Klärungen zum Vorhaben Brokhuchting sind verfahrenssicher, transparent und zügig zum Abschluss zu bringen. Für das dort geplante Angebot sehen wir einen Bedarf, der gedeckt werden muss.

- In Bremerhaven wollen wir durch eine gute Stadtentwicklungspolitik und Stadtumbau neue Einwohnerinnen und Einwohner gewinnen und halten. So können wir Wohnungsleerständen und dem demografischen Wandel wirkungsvoll begegnen. Um mehr junge Menschen nach Bremerhaven zu holen, wollen wir die Hochschule Bremerhaven weiter stärken.

- Bezahlbares Wohnen ist ein Grundrecht! Gewoba neu ausrichten. Neben der Ausweisung neuer Flächen, muss die Gewoba als Instrument kommu-naler Wohnungspolitik stärker im Neubau von Geschoßwohnungen und im Aufkauf/Sanierung problematischer Wohnungsaltbestände eingesetzt werden. Die auf Bremen entfallene Gewinnausschüttung soll in den nächsten fünf Jahren verwendet werden, um mit der Gewoba ein zusätzliches Wohnungsbauprogramm umzusetzen.

- Wohnungen sind kein Spekulationsobjekt, Immobilienheuschrecken ent-gegentreten:
Bremen wird prüfen, eine „Heuschreckensteuer“ einzuführen, die beim Grunderwerb durch Immobilienheuschrecken den Steuersatz auf 19 Prozent (Regelsteuersatz nach dem UStG), statt bisher 5,5 Prozent Grunderwerbssteuer festlegt. Ziel ist es, den Markt für solche Geschäfte stark zu beschneiden.
4. Wirtschaftliche und öffentliche Infrastruktur verbessern – Wachstumskräfte stärken – Arbeitsplätze schaffen
- Die Cluster Automotive, Offshore-Windenergie, Hafen und Logistikwirtschaft und Luft-und Raumfahrt werden auch künftig von herausragender Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Bremens sein. Wir werden die Entwicklung der erforderlichen Schwerpunkte absichern.

- Die Kräfte der Unternehmen, der Bremer Wissenschaftslandschaft, der Wirtschaftsförderung und der Sozialpartner wollen wir auf die Herausfor-derungen der technologischen Entwicklung, die mit den Begriffen „Industrie 4.0“ und „Arbeit 4.0“ beschrieben werden, ausrichten. Bremens Potential für Innovation, Forschung und Produktion bringen wir voran. In diesem Rahmen werden wir Einrichtungen unterstützen, die neue Chancen für Gründer, Forschung und Arbeitsplätze schaffen.

- Die digitale Dividende für wirtschaftliche Zukunftsprojekte nutzen. Die Erträge aus der Versteigerung weitere Mobilfunklizenzen werden wir gemeinsam mit anderen Programmen dafür nutzen, dass in allen öffentlichen Schulen und Hochschulen leistungsfähige WLAN-Netze vorhanden sind und der Kreativwirtschaft Plattformen geboten werden, um ihre Kompetenz für die Stärkung der bremischen Wirtschaft – insbesondere im Bereich der Existenzgründerinnen und Existenzgründer sowie der kleinen und mittleren Unternehmen – zu mobilisieren.

- Die Bereitstellung von Gewerbeflächen und Verkehrswegen in Bremen und Bremerhaven steht für uns außer Frage. Dies gilt besonders für die Stärkung des Automobilstandortes durch weitere Ansiedlung von Zulieferern und die Stärkung unserer Logistikkompetenz. Die zeitnahe Realisierung der A 281 und die Weservertiefung sind zeitlich und inhaltlich prioritäre Ziele Bremer Politik. Der Offshore-Terminal Bremerhaven ist ein wichtiger Beitrag zur industriellen Standortentwicklung.

- Nachfragevolumen der Stadtgemeinden, des Landes und der Unternehmen unter öffentlichem Einfluss verstärkt für regionale mittelständische Unternehmen und Handwerker nutzen:

Vergabeverfahren werden weiter vereinfacht und standardisiert, die Wertgrenzen für Vergabe analog der Berliner Regelungen bei stringenter Korruptionsprophylaxe angehoben und das Kriterium der regionalen Wertschöpfung, soweit rechtlich zulässig, beachtet. Als Pilotprojekt werden wir prüfen, ob die notwendigen Investitionen der BSAG in den Fahrzeugpark nicht mit regionaler Wertschöpfung verbunden werden können.
 
- Wir stabilisieren die kommunalen Kliniken! Die GENO ist angebots- und standortoptimiert aufzustellen, betriebswirtschaftlich notwendige Investitionen sind sicherzustellen. Es geht um den Erhalt des kommunalen Verbundes, dies erfordert Entscheidungen über Schwerpunkte künftiger Investitionen. Die Entwicklung des kommunalen Krankenhauses Reinkenheide in Bremerhaven muss im Rahmen der Landeskrankenhausplanung abgesichert werden. Die gemeinsame Landeskrankenhausplanung, insbesondere mit Niedersachsen, wollen wir vorrangig vorantreiben und mögliche Kooperationen stärken.

- Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft durch eine zeitnahe Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) voranbringen! Wir wollen die Rückgewinnung von kommunaler Kompetenz und „Guter Arbeit“.

- Wir werden die stadtteilbezogenen Aktivitäten, Programme und Struktu-ren zur Stabilisierung der Verhältnisse vor Ort mithilfe der EU- und der Bundesprogramme weiterentwickeln und dabei die engagierten Akteure vor Ort einbeziehen. Programme wie „Soziale Stadt“ und „Wohnen in Nachbarschaft“ (WiN) dienen diesen Zielen und müssen auch zukünftig dauerhaft finanziell abgesichert werden. Für das Programm „Soziale Stadt“ werden wir die nötige Kofinanzierung bereitstellen, das „WiN-Programm“ werden wir ausweiten. Wir werden in die Lebensqualität benachteiligter Stadtteile investieren. Grünpflege und Sauberkeit sind Lebensqualität, nicht nur in den touristisch interessanten Bereichen, sondern vor allem in den Quartieren.
5. Bremen sicherer machen – mehr Polizei auf die Straße
Wir stellen langfristige Verlässlichkeit für Polizei und Feuerwehr durch Kon-trakte über Personalstärke, Personalstruktur, Standortentwicklung und Investitionsmittel her. Neben den unerlässlichen Optimierungen bei Standorten und Dienstplanoptimierungen nehmen wir zur Abfederung der demographischen Entwicklung in der Polizei im Lande Bremen jedes Jahr 120 Einstellungen vor, u. a. um dauerhaft Schwerpunktmaßnahmen beispielsweise gegen Einbruchsdiebstahl durchführen zu können.

6. Wieder mehr für Demokratie in Bremen und Bremerhaven begeistern
Wir werden in der Bürgerschaft eine partei- und fraktionsübergreifende Initiative starten, um gemeinsam Maßnahmen zur Steigerung der Wahlbeteiligung zu verwirklichen. Dazu gehören: Prüfung von Wahlrecht, Wahlorganisation, Sprachfassung der Wahlunterlagen und allen weiteren Regularien ebenso wie die Lage der politischen Bildung, die Spreizung der Beteiligung zwischen Stadtteilen und sozialen Gruppen, Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und Teilhabe von in Bremen lebenden EU-Bürgerinnen und -Bürgern.
A23/2015 - Vertrauen zurückgewinnen – mit ganzer Kraft für Bremen Sozialdemokratische Schwerpunkte für die kommenden Koalitionsverhandlungen mit Bündnis 90/Die Grünen.pdf