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Beschluss des Landesparteitages vom 7. Oktober 2008

07.10.2008
A 24 - Schulentwicklung im Land Bremen - einfach und verlässlich - gerecht und leistungsorientiert
Unser Ziel: Gute Schule für alle! Die SPD im Land Bremen hat sich mit ihrem Programm zur Bürgerschaftswahl 2007 dem Kampf gegen die soziale Spaltung der Stadtgesellschaft gestellt und hat als eine zentrale Antwort dagegen das längere gemeinsame Lernen in einer „Schule für Alle“ im Stadtteil formuliert.  Hierzu dient auch der weitere Aufbau von Ganztagsschulen, der für uns Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen Priorität hat. Um diesen Grundsätzen und den daraus folgenden Herausforderungen insgesamt gerecht zu werden, muss die Qualität im Bildungssystem erhöht und nachhaltig verbessert werden und dies auch durch eine Änderung und vor allem Vereinfachung der Schulstruktur unterstützt werden. Gemeinsam mit unserem Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen haben wir dies als politische Aufgabe im Koalitionsvertrag vereinbart und eine Schulentwicklungsplanung initiiert, die zu Leitlinien und konkreten Umsetzungsschritten für die Weiterentwicklung des bremischen Schulsystems führen soll.
  • Schulentwicklung ist auch Stadtteilentwicklung. Deswegen sollen sich die Schulen zum Stadtteil öffnen und wo es möglich ist auch zu Quartiersbildungszentren entwickeln, um die mit Kind und Familie arbeitenden Institutionen zu vernetzen.
  • Dabei soll der Weg zu einer solchen „Schule für Alle“ mit den  Schulen und Vertretungen von Eltern, Lehrerinnen und Lehrern und Schülerinnen und Schülern sowie Beiräten geplant werden.
  • Eine Finanzierung der dafür notwendigen Umsetzungsschritte ist durch den Senat im Doppelhaushalt 2010/2011 darzustellen.
Ein hohes Bildungsniveau und Chancengleichheit gewährleisten nach internationalen Vergleichen nur Systeme, die Schülerinnen und Schüler nicht aufteilen und auf ein gemeinsames Lernen in heterogenen Lerngruppen setzen. Dieses bedeutet vor allem, dass alle Schülerinnen und Schüler individuell gefördert werden müssen. Eine solche Schulentwicklung bedarf einer Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte, die die dafür notwendigen Kompetenzen vermitteln. Folgende allgemeine Grundsätze sind für die bremische Sozialdemokratie nach der bisherigen Diskussion in der Partei und unter Würdigung der Ergebnisse in und um den Fachausschuss Schulentwicklung sowie der Anträge aus den Beiräten und Schulen für die Umsetzung im Schulentwicklungsplan unverzichtbar: 1.        Die Entkopplung von sozialer Herkunft und Schulerfolg und die Erhöhung der Bildungsbeteiligung. 2.       Der soziale Zusammenhalt der Stadtgesellschaft und die soziale Integration in den Stadtteilen. 3.        Die Stärkung der Qualitäts- und Leistungsorientierung der Bildungseinrichtungen. Diese Qualitätsarbeit wird durch die flächendeckende Einführung von systematischen Qualitätsverfahren verlässlich in allen Schulen fortgeführt. 4.       Die Gemeinsame Schule für alle, in der jedes Kind nach seinen Möglichkeiten zu einem Schulabschluss geführt wird. 5.       Die integrative Beschulung von behinderten und nicht-behinderten Kindern. 6.      Die Ganztagsschule, in der mehr Zeit für Kinder zur Verfügung steht, ihre Potentiale auszuschöpfen und ihre Stärken zu entwickeln. Auf die Qualität kommt es an: besser und gerechter Kindertagesstätten und Grundschulen müssen besser zusammenarbeiten und einen gemeinsamen Bildungsplan entwickeln. Dazu dient als Grundlage der Rahmenplan der Kindertagesstätten. Die Sprachförderung in den Kindertagesstätten durch das pädagogische Personal ist auszubauen. Zur Verankerung der Zusammenarbeit wird flächendeckend eine verbindliche Sprachförderung eingeführt, bei der Erzieherinnen, Erzieher und Grundschullehrkräfte Kinder mit Sprachdefiziten ein Jahr vor der Grundschule gemeinsam fördern. Ein Vorschuljahr kann modellhaft und bedarfsorientiert in bestimmten Stadtteilen eingerichtet werden. Um bei den „Kleinen“ eine Grundlage zu schaffen, müssen Geldmittel gezielt in den Anfang gegeben werden. Diese Sprachförderung ebenso wie andere (sonderpädagogische) Maßnahmen im Kita-Bereich, sollten bei festgestelltem Bedarf nahtlos in die Förderung bei Schuleintritt fortgeführt werden. So werden Brüche in der Entwicklung des Kindes gemindert und „verlorene“ Förderzeiten verhindert. Die Grundschule ist der Ort, an dem es die kleinsten Lerngruppen geben muss, denn hier muss genauso wie im Kindergarten die individuelle Förderung ansetzen. Deshalb wollen wir künftig eine Stundenzuweisung mit einem schülerbezogenen Faktor einführen, der die soziale Zusammensetzung der Schüler einer Schule berücksichtigt und zusätzliche Stunden dort zuweist, wo sie besonders nötig sind. Für die Sicherstellung einer angemessenen Prävention und Intervention bei (akuten) Lern- und Verhaltensproblemen muss die Beratung von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern und von Eltern durch Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sowie durch Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen mittelfristig personell gesichert bzw. ausgebaut werden. Soziales Lernen und Leistungsorientierung von Beginn an Die Vielfalt der Leistungsfähigkeiten von Kindern lässt sich nicht in einer Note zusammenfassen. Deshalb sind wir für Lernstandsbeschreibungen in aussagekräftigen und gut lesbaren Lernentwicklungsberichten. Auf deren Grundlage werden Eltern und Schüler beim Übergang zur folgenden Schulstufe beraten. Mehrsprachigkeit wird in allen Schularten durch geeignete Maßnahmen gefördert. Die Lernstandsbeschreibung  ersetzt die Schullaufbahnempfehlung. Sie ist die Grundlage einer sorgfältigen und verpflichtenden Beratung. Denn wir wissen: Die Schullaufbahnempfehlung hat eine viel zu geringe Prognosesicherheit. Eine darauf beruhende frühe Sortierung von Kindern widerspricht unseren Vorstellungen von Chancengleichheit. Das Aufnahmeverfahren wird so überarbeitet, dass eine möglichst breite leistungsheterogene und soziale Mischung der Schülerschaft an den Schulen erreicht wird. Eine Schule, die einen Schüler aufgenommen hat, ist bis zum ersten Schulabschluss für ihn verantwortlich. Alle Schulformen der Sekundarstufe I sind gleichwertig, keine Schule kann sich zu Lasten der anderen von Schülern trennen. Alle Maßnahmen, die im Rahmen des Schulentwicklungsplans getroffen werden, dienen dem Ziel, die Qualität von Schule und Unterricht zu verbessern. Deshalb werden alle Schulen durch ein Qualitätskonzept von innen so umgestaltet, dass sie die 5 Erfolgsmerkmale ausgezeichneter Schulen enthält:
  • die Jahrgangsteambildung
  • die Lehrerkooperation
  • das Ganztagskonzept
  • das Förderkonzept
  • die Arbeits- und Übungsstunden.
Auf die Struktur kommt es an: einfach und klar Wir Sozialdemokraten wollen mit der Zersplitterung unseres Schulsystems Schluss machen, denn wir wissen, dass wir damit Lerngruppen schaffen, die keine guten Lernergebnisse erzielen können und die die soziale Spaltung noch vertiefen. Wir wollen keine Hierarchie zwischen den Schulformen, sondern ein gleichwertiges Miteinander. Deshalb sollen nach der Grundschule die Eltern die Schule für ihr Kind wählen können. Auf die Grundschule von Klasse 1 bis 4 sollen die Oberschule und das Gymnasium von Klasse 5 bis 10 bzw. 12/13 aufbauen. Alle Schulen bekommen den schulgesetzlichen Auftrag, integrativ zu beschulen. Die Grundschule Die Grundschule ist eine Schule für alle Kinder und geht von Klasse 1 bis 4. Sie hat feste Schulbezirke es sei denn, sie ist Modellschule oder Ganztagsschule, die von den Eltern  stadtweit anwählbar ist. Die Grundschule soll Kindern die grundlegenden Fähigkeiten für ihre Schullaufbahn mitgeben und vor allem auf ihre Sprachfähigkeit Wert legen, die der Schlüssel für ihren Lernerfolg in allen Schulfächern ist. Die Schulversuche zur sechsjährigen Grundschule laufen schrittweise aus. An Standorten, an denen es räumlich möglich ist, können sie zu Oberschulen weiterentwickelt werden. Die Förderzentren Die Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf soll originärer Auftrag der allgemeinen Regelschule sein. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollen so weit wie möglich gemeinsam  mit anderen Schülern beschult werden. Wir wollen das Recht der Eltern von behinderten Kindern auf den Ort der Beschulung erweitern. Dazu werden die Förderzentren schrittweise zu Service-Stützpunkten in den allgemeinbildenden Schulen weiterentwickelt, die dem umfassenden Förderanspruch für alle Schüler stärker Rechnung tragen. Die Oberschule Die Oberschule, die nach skandinavischem Vorbild leistungsorientiert entwickelt werden soll, ist eine Schule für alle. Sie soll in Zukunft alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam unterrichten und entsprechend ihrer Fähigkeiten und Bedürfnisse fördern. Sie ist eine Schule der Vielfalt mit zahlreichen, der individuellen Leistungsfähigkeit der Schüler entsprechenden Formen der Differenzierung. Zusätzlich zu den schon vorhandenen Modellen der Förderung leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler soll in den Oberschulen auch eine Förderung der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler umgesetzt werden. Je integrativer sie arbeitet, desto mehr Ressourcen (Stunden und Personal) benötigt sie für individualisiertes Lernen, Differenzierung nach Leistung und Förderung. Die Oberschule bietet das Abitur nach 13 Jahren und nach Bedarf auch nach 12 Jahren an. Das Gymnasium Das Gymnasium stellt sich seinem integrativen Auftrag insofern, als es künftig keinen aufgenommenen Schüler abschulen darf. Das Gymnasium bietet das Abitur nach 12 Jahren an. Es werden über die bestehenden Gymnasien hinaus keine weiteren gegründet. Die gymnasiale Oberstufe Nach dem mittleren Schulabschluss erfolgt die Spezialisierung der Schülerinnen und Schüler in einem differenzierten Oberstufenangebot, das angebunden an die beiden Schularten, im Verbund mit diesen und selbständig als Oberstufenzentrum organisiert sein kann. Die freie Anwahl der gymnasialen Oberstufe zur Spezialisierung der Berufsvorbereitung oder zum Erwerb der Hochschulreife bleibt erhalten. Um dem hohen Interesse an durchgängigen Bildungsgängen entgegen zu kommen, werden wir dafür sorgen, dass für jede Schülerin und jeden Schüler ein verlässliches Angebot für den Übergang in die gymnasiale Oberstufe vorhanden ist. Die berufsbildenden Schulen Die berufliche Bildung hat im Schulsystem ihren eigenen besonderen Stellenwert. Deshalb muss die Berufsvorbereitung Auftrag für alle allgemeinbildenden Schulen sein und der Übergang für die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler in die berufliche Bildung, ob in das duale oder vollzeitliche Schulsystem, noch besser vorbereitet und vor allem durchschaubarer werden. Eltern und Schülern muss verdeutlicht werden, dass auch hier höherwertige Abschlüsse und der Hochschulzugang erworben werden können. Wir werden die berufliche Bildung im Schulentwicklungsplan neu ordnen und auf ein regional ausgewogenes Angebot achten. Schülerinnen und Schüler, die nach der 10. Klasse ins berufsbildende System wechseln wollen, sollen attraktive Angebote im dualen System oder in vollzeitschulischen Bildungsgängen erhalten, um Schulabschlüsse nachzuholen oder höher qualifizierende Abschlüsse wie die Fachhochschulreife oder das Abitur mit der beruflichen Qualifikation zu erwerben. Aufstieg und Teilhabe durch Bildung in Bremerhaven Die Schullandschaft Bremerhavens erfordert einen eigenen Weg, dem die Schulentwicklung für das Land Bremen Rechnung tragen wird. In Bremerhaven soll auf die Grundschule folgend eine „Schule für Alle“, die Oberschule, schrittweise beginnend mit Klasse 5 eingeführt werden. Die Oberschule schließt insbesondere den gymnasialen Bildungsgang ein, der in der gymnasialen Oberstufe fortgeführt wird. Deshalb soll Bremerhaven im Schulgesetz von der Pflicht befreit werden, mittelfristig alle Schularten vorzuhalten. Die Realisierung ist nur schrittweise möglich und bedarf einer längeren Planungszeit. Verlässlichkeit und Konsens Bei der Beratung für einen Schulentwicklungsplan für das Land Bremen wurde auf allen Ebenen eingeladen mitzumachen; auf der Partei- genauso wie auf der Fraktionsebene, im Fachausschuss der Deputation genauso wie an den Runden Tischen und bei öffentlichen Veranstaltungen wie dem „Dialog Stadt“ oder den „Stadtgesprächen“. Wir wünschen uns den Konsens zu dem Schulentwicklungsplan. Daher haben wir uns bemüht, die vielfältigen Wünsche, Meinungen und Anträge zu bündeln. Die Verlässlichkeit einer künftigen Schulstruktur ist ein hohes Gut, insbesondere für die betroffenen Eltern und Kinder. Deshalb wollen wir mit diesem Beschluss einen gesellschaftlichen und auch parteipolitischen Konsens erreichen.