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Beschluss des SPD-Landesvorstandes vom 12. Oktober 2012

12.10.2012
Für eine solidarische Alterssicherung: Lebensstandard sichern – Armut vermeiden – Gesetzliche Rentenversicherung stärken
Der Parteikonvent möge beschließen: Die Sicherung des erarbeiteten Lebensstandards im Alter und der wirksame Schutz vor Altersarmut sind die zentralen Aufgaben eines funktionierenden Systems der Alterssicherung. In Deutschland blicken wir auf eine lange Geschichte zurück, in der es gelungen ist, ein solches System der Alterssicherung für breiteste Bevölkerungskreise aufzubauen und beizubehalten. Im Zentrum dieser erfolgreichen Politik stand dabei stets die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) mit ihrer Umlagefinanzierung, die breite Schichten der Bevölkerung einbezieht und ihren Lebensstandard sichert. Ihr verlässliches Funktionieren war und ist einer der zentralen Pfeiler der sozialen Sicherheit und Stabilität in unserem Land. Umso besorgniserregender ist, dass diese Erfolgsgeschichte akut bedroht ist. Nach den derzeitigen gesetzlichen Weichenstellungen soll das Versorgungsniveau in der GRV (Rentenniveau) von derzeit etwa 51 Prozent auf nur noch 43 bis 45 Prozent im Jahre 2030 sinken. Schon jetzt ist abzusehen, dass die sich damit öffnenden Lücken durch die staatlich geförderten Zusatzwege einer kapitalgedeckten Altersvorsorge nicht geschlossen werden. Sowohl bei der betrieblichen Altersvorsorge via Entgeltumwandlung, als auch bei der Riester-Rente werden große Teile der Förderberechtigten nicht erreicht. Schon jetzt liegt das gesetzliche Rentenniveau in Deutschland deutlich unter dem gesetzlichen Rentenniveau in den meisten anderen Industrieländern. Die so genannte Brutto-Ersatzrate wird von der OECD für Deutschland für einen Durchschnittsverdiener mit 42 Prozent ausgewiesen. Die Durchschnittsgröße für die 34 OECD-Länder beträgt 57,3 Prozent. Deutschland liegt damit im Vergleich zu den anderen Industrieländern im unteren Drittel. Es ist daher höchste Zeit, die derzeitigen Weichenstellungen in der langfristigen Rentenpolitik zu korrigieren. Das Versprechen einer lebensstandardsichernden und armutsvermeidenden Alterssicherung muss wieder glaubwürdig und in nachhaltiger Weise eingelöst werden. Auch und gerade Menschen mit mittleren Einkommen müssen sich darauf verlassen können, nach der Erwerbsphase eine Rente zu erhalten, die – ihrem Beitrag zum Arbeitsleben entsprechend – ihren Lebensstandard erhält. Gute Rente erfordert gute Arbeit
Unser Rentensystem beruht auf der Erwerbsarbeit. Das Rentensystem kann nicht dauerhaft während des Erwerbslebens entstandene Ungerechtigkeiten ausgleichen. Im Gegenteil: eine gute Rente hat eine gute Arbeit mit guten Löhnen und Gehältern zur Voraussetzung. Dazu gehören die Stärkung der Tarifbindung (Allgemeinverbindlichkeit) und eine deutlich veränderte Arbeitsmarktpolitik mit einem gesetzlichen Mindestlohn, die Durchsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zwischen Männern und Frauen, aber auch zwischen Leih- und Zeitarbeitnehmern und Festangestellten. Außerdem gehört dazu die Regulierung der ausufernden Werkverträge und die Rückführung der Leih- und Zeitarbeit auf ihren originären Sinn als flexibles Instrument bei Auftragsspitzen eines Unternehmens und nicht – wie seit Jahren – zur Vernichtung regulärer Arbeitsplätze. Dafür müssen wir die sachgrundlose Befristung abschaffen und die Mitbestimmung von Betriebs- und Personalräten einführen. Zu einer guten und auskömmlichen Arbeit gehört auch die Zurückdrängung der Minjobs, die gerade Frauen in ihren Erwerbsbiographien benachteiligen. Brücken ins Rentenalter bauen
In einer immer differenzierteren Arbeitswelt ist es schwieriger geworden, für alle Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gleiche Wege des Eintritts ins Rentenalter zu schaffen. Nicht jeder Rentenzugang passt für alle, aber für alle muss es einen passenden Rentenzugang geben. Vor allem für diejenigen Berufsgruppen und Beschäftigten, die bereits heute aufgrund der Arbeitsbelastung nicht bis zum 65. Lebensjahr arbeiten können, wollen wir den Übergang ins Rentenalter ohne große Einkommensverluste ermöglichen. Deshalb streben wir differenzierte Angebote für den Übergang vom Erwerbsleben in die Rente an:
  • durch den abschlagsfreien Zugang zur Erwerbsminderungsrente;
  • durch eine Verlängerung der Zurechnungszeit und eine bessere Bewertung der letzten Jahre;
  • durch erleichterte Möglichkeiten für Zusatzbeiträge an die Rentenversicherung;
  • durch die Einführung der Teilrente ab dem 60. Lebensjahr;
  • durch den abschlagsfreien Zugang zur Rente nach 45 Versicherungsjahren, zu denen unter anderem auch Ausbildungszeiten sowie Zeiten der Kindererziehung und Pflege gehören. 
Rente mit 67 aussetzen
Hinsichtlich der Rente mit 67 bleiben wir dabei: Der für das Jahr 2012 vorgesehene Einstieg in die Erhöhung der Regelaltersgrenze auf 67 ist auszusetzen, weil die Voraussetzungen für die Erhöhung gegenwärtig nicht gegeben sind. Ein Einstieg in die Anhebung des Renteneintrittsalters ist erst dann möglich, wenn die rentennahen Jahrgänge, also die 60- bis 64-jährigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mindestens zu 50 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Kindererziehungszeiten gleichmäßig berücksichtigen
Bislang werden Kindererziehungszeiten in der GRV ungleich behandelt: für Geburten vor 1992 erhalten Frauen nur einen Entgeltpunkt, danach maximal 3 Entgeltpunkte. Die Schlechterstellung der Geburten vor 1992 wollen wir beenden, um Lücken in der Versorgung auszugleichen. Solidar-Rente gegen Altersarmut
Wir wollen das Risiko minimieren, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die langzeitarbeitslos waren und Arbeitslosengeld II oder Arbeitslosenhilfe bezogen haben, im Alter auf die Grundsicherung angewiesen sind. Deshalb wollen wir bei der Rentenfestsetzung die Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld II (bzw. vor 2005: Arbeitslosenhilfe) besser bewerten. Für diejenigen, die über längere Zeit nur ein niedriges Einkommen erzielen konnten, wollen wir die Rente nach Mindestentgeltpunkten verlängern. Berücksichtigt werden müssen künftig nicht nur die gering bewerteten Beitragszeiten ab dem 1. Januar 1992, sondern auch die davor liegenden Zeiten. Für diejenigen, die trotz dieser Maßnahmen und mangels anderer Einnahmen regelmäßige Alterseinkünfte von weniger als 850 € Brutto erhalten, wollen wir eine steuerfinanzierte zweite Stufe der Grundsicherung außerhalb der Rentenversicherung einführen. Bis zur Höhe von 850 € Brutto (dynamisiert entsprechend der allgemeinen Rentenentwicklung) erhöht diese zweite Stufe der Grundsicherung die regelmäßigen Alterseinkünfte für diejenigen, die mindestens 40 Versicherungs- und 30 Beitragsjahre sowie ihre Bedürftigkeit nachweisen können. Denn Rentnerinnen und Rentner, die langjährige  Versicherungs- und Beitragszeiten aufweisen, dürfen nicht lediglich das gleiche Niveau der Altersversorgung erhalten wie Menschen ohne jede Versicherungs- und Beitragszeiten. Unser zentraler Ansatzpunkt: Gesetzliche Rentenversicherung stärken
Für die SPD war und ist die Gesetzliche Rentenversicherung das zentrale Instrument einer sozialen und solidarischen Alterssicherung. Dies gilt umso mehr, als die kapitalgedeckten Vorsorgewege ihre hochgesteckten Erwartungen und Versprechungen in der Praxis nicht haben halten können. Die GRV mit ihrer Versicherungspflicht erreicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Durch ihre Umlagefinanzierung muss niemand fürchten, dass seine Altersvorsorge oder seine bereits laufende Rente durch Turbulenzen an den Finanzmärkten gefährdet werden. Die GRV hat keine eigenen Gewinninteressen, die sie trickreich in einem kaum verständlichen Vertragswerk umzusetzen versucht. Sie ist zudem weitaus kostengünstiger als die kapitalgedeckten Vorsorgewege, da sie nicht von hohen Vertriebsprovisionen belastet wird. In der Summe ist sie daher sowohl der effektivere, als auch der effizientere Weg für die Alterssicherung. Deshalb wollen wir auch weitere Personengruppen in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen und so langfristig das Ziel einer allgemeinen Erwerbstätigenversicherung erreichen.