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Positionspapier von Martin Günthner und Dieter Reinken

03.03.2014
Ausbildung garantiert! Chancen eröffnen statt Maßnahmenkarrieren verwalten.
Ausbildung garantiert!
Chancen eröffnen statt Maßnahmenkarrieren verwalten.

Positionspapier für die Reform des Übergangssystems
und die Schaffung einer Ausbildungsgarantie für Schulabgänger.

Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland liegt deutlich unter den Zahlen anderer europäischer Länder. Doch blickt man hinter diese Zahlen erkennt man schnell, dass auch in Deutschland die Realität mit den amtlichen Statistiken nicht ganz mithalten kann. Denn viele junge Menschen treten nach der Schule nicht in eine Ausbildung ein, sondern landen zunächst im sogenannten Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung. Was auf den ersten Blick als sinnvolle Maßnahme zur Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit und zur Weiterqualifizierung erscheint, hat aber zumindest für einen Teil der jungen Menschen zwei schwerwiegende Nachteile. Im Übergangssystem kann erstens kein berufsqualifizierender Abschluss erworben werden und zweitens beginnt für viele junge Menschen hier die Maßnahmenkarriere. Statt zum Arbeitsmarkt hin, werden die jungen Leute in das Arbeitslosensystem geführt. Statt Arbeit beginnt eine Kette von verschiedensten Maßnahmen – zwar gut gemeinte Beratung und Qualifizierung – aber keine Jobperspektive. Dabei geht es uns nicht darum, den Stab über dem gesamten Übergangssystem zu brechen. Es hat in den letzten Jahren wichtige und gute Reformen im Übergangssystem gegeben. Dennoch sind immer noch viele junge Menschen nur deshalb in diesem System, weil sie keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Uns geht es darum, diesen jungen Menschen eine echte Berufsausbildung zu ermöglichen und das Übergangssystem auf die Gruppe junger Menschen zu konzentrieren, die hier besser gefördert werden können oder eine entsprechende schulische Weiterqualifizierung bewusst anstreben.

In Bremen und Bremerhaven haben im letzten Ausbildungsjahr etwa 4.800 junge Menschen einen Ausbildungsplatz gesucht. Nur knapp 40 Prozent, also etwas weniger als 2000, haben auch tatsächlich einen Ausbildungsplatz gefunden. Für gut 1400 Jugendliche wurde statt dessen eine Alternative gefunden, einige haben in eine ungelernte Tätigkeit aufgenommen, die allermeisten sind in eine berufsvorbereitende Maßnahme eingetreten, absolvieren eine Weiterqualifizierung oder ein Praktikum oder setzen die Schule fort. Etwa 200 Jugendliche sind gänzlich unversorgt. Über den Verbleib der restlichen 1200 Ausbildungssuchenden liegen keine Daten vor. Hinzu kommen sogenannte Altbewerber, also diejenigen jungen Menschen, deren Schulabschluss schon mehr als ein Jahr zurück liegt und die bisher noch keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Insgesamt befinden sich in Bremen und Bremerhaven derzeit fast 2000 junge Menschen unter 25 Jahren in einer Maßnahme, die nicht auf den Erwerb eines Berufsabschlusses gerichtet ist.
Wir wollen diese Situation ändern! Wir wollen, dass jedem Schulabgänger und jeder Schulabgängerin in Bremen und Bremerhaven ein Ausbildungsplatz angeboten wird. Wir sind der festen Überzeugung, dass das jetzige System die Lebenszeit und die Fähigkeiten von jungen Menschen vergeudet, ihre Zukunftschancen nicht verbessert und dafür auch noch teuer ist. Zugleich wissen wir, dass wir in der Zukunft dringend auf Fachkräfte angewiesen sind. Auch für diejenigen Jugendlichen, die noch einen höheren Schulabschluss anstreben, aber derzeit die Voraussetzungen noch nicht erfüllen, kann daher ein früher Berufseinstieg sinnvoller sein, als sich durch verschiedene Weiterqualifizierungen zu hangeln. Eine erfolgreiche duale Berufsausbildung eröffnet auch alle Chancen auf berufliche Weiterentwicklung und vermittelt beste Grundlagen für das Beschreiten des zweiten Bildungsweges, wenn dies gewollt ist.

Die Bertelsmann-Stiftung hat in einer Studie nachgewiesen, dass es inhaltlich sinnvoller und mittelfristig finanziell lohnend wäre, wenn der Staat die Verantwortung für die Ausbildung dieser jungen Menschen übernimmt, anstatt sie in Maßnahmen zu verstecken.

Schätzungen gehen davon aus, dass etwa ein Drittel bis zwei Drittel der jungen Menschen, die derzeit keinen Ausbildungsplatz finden, grundsätzlich ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind.

Deshalb wollen wir, dass diese jungen Menschen eine Chance bekommen. Dazu brauchen wir eine Ausbildungsgarantie. Dabei wird am Erfolgsmodell der dualen Ausbildung nicht gerüttelt. Im Gegenteil, wir wollen dieses Modell auch denjenigen zugänglich machen, die auf dem gegenwärtigen Ausbildungsmarkt nicht zum Zuge gekommen sind. Wir wollen die Ausbildung nicht verstaatlichen oder die Unternehmen aus der Verantwortung entlassen. Wir wollen unsere Verantwortung wahrnehmen und unseren Beitrag zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze leisten. Mit der Ausbildungsgarantie fördert der Staat die Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen. Jedem Jugendlichen wird nach der Schule ein echter Ausbildungsplatz angeboten. Mit der Ausbildungsgarantie kann der bereits erfolgreich begonnene Prozess der Reform des Übergangssystems weiterentwickelt werden. Das derzeitige Übergangssystem kann stark reduziert werden und bleibt nur noch für Jugendliche erhalten, die besonderen Förderbedarf haben und zu einer normalen Berufsausbildung derzeit nicht in der Lage sind.

Eine solche Ausbildungsgarantie wird ohne Frage Geld kosten. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass wir es uns nicht leisten können, dieses Geld nicht auszugeben. Wir sind diese Investition den jungen Menschen genauso schuldig, wie der langfristigen Leistungs- und Innovationsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Bremen. Außerdem werden sich die Mehraufwendungen auch finanziell für die öffentliche Hand bald lohnen. Statt Arbeitslosigkeit zu alimentieren und zu verschleiern, investieren wir in Arbeit und Ausbildung. Dadurch spart die öffentliche Hand bei Sozialleistungen und kann merklich Mittel im Übergangssystem einsparen. Wir werden bei der Verteilung der Arbeitsmarktmittel des Landes hier den Schwerpunkt setzen.

Wir wollen die Ausbildungsgarantie zum Ausbildungsjahr 2015/2016 in Bremen und Bremerhaven umsetzen. Dann soll jedem Schulabgänger und jeder Schulabgängerin, die ausbildungsfähig und ausbildungswillig sind, ein Ausbildungsplatz angeboten werden.
Mit diesem Papier wollen wir in der SPD und in Bremen eine Debatte über unser Vorhaben anstoßen. Wir wollen die kommenden Monate nutzen, um mit den Sozialpartnern, den Arbeitgebern und
Gewerkschaften darüber sprechen, wie wir eine Ausbildungsgarantie ausgestalten können, wie sie daran mitarbeiten können und sollen. Wir werden dabei an bewährten Dialogstrukturen im Rahmen
der Bremer Vereinbarung anknüpfen. Im Rahmen dieser Debatte soll beraten werden, wie die Bedarfe ermittelt und in welchen Bereichen Ausbildungsplätze angeboten werden sollen, um nicht an den Bedarfen des Arbeitsmarktes vorbei auszubilden. Mit den Unternehmen wollen wir vereinbaren, wie wir die geförderten Ausbildungsplätze mit der betrieblichen Praxis vernetzen können und wie wir Kontakte zwischen den Unternehmen und den Auszubildenden im Rahmen der Ausbildung herstellen. Auch muss ausgeschlossen werden, dass die staatlich geförderten Ausbildungsplätze an Stelle der bisherigen betrieblichen Ausbildungsplätze treten.

Das Ziel ist: Wir wollen dafür Sorge tragen, dass jedem jungen Menschen einen Ausbildungsplatz angeboten wird!