BESCHLUSS DES LANDESVORSTANDES VOM 23.11.2024
Bremer Impuls zum Bundestagswahlprogramm:
Angesichts der vorgezogenen Bundestagswahl steht die SPD vor der Aufgabe, in sehr kurzer Zeit den Bürger:innen ein Programm vorzulegen, das überzeugende sozialdemokratische Antworten auf die drängendsten Fragen des Landes liefert. Der Landesparteitag der Bremer SPD hat am 9. November 2024 folgende 10 Punkte als wesentliche Inhalte formuliert:
- Stärkung des Industriestandort Deutschlands und Schaffung von Investitionssicherheit, insbesondere durch verlässlich wettbewerbsfähige Industriestrompreise und eine Modernisierung der Infrastruktur
- Investitionsförderung durch steuerliche Anreize bei Investitionen in klimaneutrale Produktion unter der Bedingung von Arbeitsplatzsicherung am Standort Deutschland
- Weiterführung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien anstelle einer (Teil-) Rückkehr in fossile oder nukleare Energieerzeugung. Beschleunigung des Ausbaus nötiger Infrastruktur für Erneuerbare Energien durch mehr öffentliche Investitionen, insbesondere: Unterstützung des Bundes beim Aufbau von Hafeninfrastruktur für Bau, Wartung und Recycling von Offshore- Windenergieanlagen und Konverteranlagen.
- Reform der Schuldenbremse mit dem Ziel höhere Zukunftsinvestitionen zu generieren
- Zügige Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro, Abschaffung der sachgrundlosen Befristung und Stärkung der Tarifpartnerschaft durch Einführung eines Bundestariftreuegesetzes nach Bremer Vorbild
- Absage an die Rente mit 70 und gesetzliche Stabilitätsgarantie des Rentenniveaus.
- Die SPD ist die Partei der Solidarität mit den Schwächsten. Wir sorgen für gesellschaftlichen Zusammenhalt und bekämpfen die soziale Spaltung unserer Gesellschaft. Wir kämpfen für eine bürokratiearme Kindergrundsicherung und für ein Bürgergeld, dass die Sicherung der Menschenwürde in den Mittelpunkt stellt.
- Sicherung von erstklassiger Bildung für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unabhängig vom Elternhaus
- Absage an Hass und Hetze und Rückkehr zu einer Kultur der Anerkennung der Lebens- und Arbeitsleistung, auch der Menschen mit Migrationsbiografie in unserem Land. Die SPD wird sich für einen sozialen Umgang mit Geflüchteten, eine durchdachte Migrationspolitik und eine vielfältige und offene Gesellschaft einsetzen
sowie
- Mehrere Maßnahmen zur Herstellung von Steuergerechtigkeit.
Zum letzten Punkt hat der Parteivorstand bereits vorgeschlagen, mehr Steuergerechtigkeit für arbeitende Menschen durch Steuerentlastungen für 95 Prozent der Einkommensteuerzahlenden und Gegenfinanzierung durch Mehrbelastung der obersten 1 Prozent vorzunehmen. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zu einer gerechten Besteuerung für kleine und mittlere Arbeitseinkommen gegenüber hohen Arbeitseinkommen. Diese Gerechtigkeit ist verloren gegangen, indem die Steuersätze ausgerechnet auf die höchsten Einkommen in den letzten Jahrzehnten immer weiter abgesenkt wurden. Die Bremer SPD unterstützt die Initiative des Parteivorstands daher ausdrücklich.
Steuergerechtigkeit gibt es nur mit einer gerechten Heranziehung von Kapitaleinkünften
Gleichwohl spiegelt sich Steuergerechtigkeit aber auch in einem gerechten Verhältnis der Besteuerung von Einkommen aus eigener Arbeit gegenüber leistungslosem Einkommen aus Kapitaleinkünften. Diese ist aktuell nicht gegeben:
- Die Abgeltungssteuer bedeutet im Ergebnis vielfach eine höhere Besteuerung von Einkommen aus eigener Arbeit als von Kapitaleinkommen,
- Die Vermögensteuer ist nach wie vor ausgesetzt, auch sehr hohe Vermögen leisten damit keinen Beitrag zur Deckung des Finanzbedarfs von Ländern und Kommunen.
- Die Erbschaftsteuer berücksichtigt den möglichen gerechten Beitrag sehr großer Erbschaften zu wenig, privilegiert stattdessen extrem hohe Erbschaften mit umfangreichen Befreiungstatbeständen wie der Möglichkeit für millionenschwere Unternehmenserben, sich für „bedürftig“ zu erklären.
Diese Zustände verstoßen gegen das Gebot der Leistungsgerechtigkeit.
Hinzu kommt, dass mit dieser Steuergesetzgebung dem Staat Einnahmen entzogen werden, die er für die Zukunftssicherung unserer Volkswirtschaft dringend braucht. Um die Wirtschaftskraft Deutschlands zu stärken und die klimafreundliche Transformation der Wirtschaft erfolgreich zu gestalten, sind umfangreiche Investitionen und gezielte Wachstumsimpulse notwendig. Die Erneuerung und der Ausbau von Verkehrswegen, die Modernisierung von Häfen und Energie- sowie Datennetzen, und nicht zuletzt die Investitionen in Forschung und Bildung sind elementar, um Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit im globalen Markt zu sichern und die wirtschaftliche Zukunft des Landes zu gestalten.
Experten schätzen den Investitionsbedarf der Länder und Kommunen auf rund 400 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren. Deshalb müssen sowohl die Schuldenbremse reformiert als auch Wege für höhere Steuereinnahmen eröffnet werden. Genau diese Konsequenz war ursprünglich auch mit der Idee einer Schuldenbremse verbunden.
Solche Steuermehreinnahmen dürfen allerdings nicht zu Lasten der unteren und mittleren Einkommensschichten gehen, die bereits die größte Last bei Steuern und Sozialabgaben tragen. Das wäre nicht nur sozial unfair, es würde auch die breite konsumtive Nachfrage schwächen und sich damit negativ auf das wirtschaftliche Wachstum auswirken. Das Gegenteil ist geboten: Die steuerliche Mehrbelastung muss deshalb dort ansetzen, wo große Teil des Einkommens und Vermögens nicht nachfragewirksam für Waren und Dienstleistungen ausgegeben, durch eine Besteuerung hingegen der Konsum wieder angekurbelt werden kann: bei den Beziehern hoher Einkommen und den Besitzern großer Vermögen. Dass diese „starken Schultern“ nach langen Jahren der steuerlichen Begünstigung wieder mehr tragen, wäre zugleich auch sozial gerecht.
Der Bremer SPD-Landesvorstand bittet daher den Parteivorstand, in den Entwurf des Wahlprogramms folgende Punkte aufzunehmen:
- Eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer, um das Steueraufkommen zu erhöhen und so die Einnahmen der Länder und Kommunen zu stärken. Diese Reform soll vor allem hohe Erbschaften und Schenkungen betreffen, bei denen derzeit zahlreiche Ausnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Durch eine gezielte Reduzierung dieser Steuervergünstigungen könnte die Erbschafts- und Schenkungssteuer gerechter gestaltet werden. Insbesondere die Besteuerung von Betriebsvermögen bedarf einer Anpassung um Steuerschlupflöcher zu schließen. Gleichzeitig sollen hohe Freibeträge Wohneigentum vor Besteuerung schützen, soweit es weiterhin selbst genutzt wird.
- Die Einführung einer Vermögenssteuer für sehr hohe Vermögen: Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer richtet sich gezielt an die höchste Vermögensklasse, die in den letzten Jahrzehnten überproportionale Zuwächse erfahren hat. Darin sehen wir eine Möglichkeit, große Vermögen in die Verantwortung zu nehmen und einen gerechten Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben zu leisten. Geschätzt wird, dass die Abschaffung der Vermögenssteuer seit 1996 zu steuerlichen Einnahmeverlusten in Höhe von rund 380 Milliarden Euro geführt hat. Diese Steuer würde jedoch explizit keine Substanzbesteuerung auf Betriebsvermögen umfassen, um zu vermeiden, dass Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Substanz gefährdet werden. Der Fokus liegt auf reinen Vermögenswerten außerhalb des Betriebsvermögens, etwa auf Kapitalanlagen und Immobilien, deren Wert über einer bestimmten Schwelle liegt.
- Die Rückkehr zur progressiven Besteuerung von Kapitalerträgen: Die derzeitige Besteuerung von Kapitalerträgen erfolgt über die sogenannte Abgeltungssteuer, die mit einem pauschalen Steuersatz von 25 Prozent Kapitalgewinne besteuert, unabhängig von der Höhe des Gesamteinkommens. Wir sprechen uns für die Abschaffung dieser Abgeltungssteuer aus, da sie höhere Kapitalgewinne tendenziell begünstigt und im Vergleich zu Erwerbseinkommen relativ niedrig ausfällt. Kapitalerträge sollen künftig in die progressive Einkommensbesteuerung integriert werden, sodass Einkünfte aus Kapitalgewinnen ähnlich wie Erwerbseinkommen einer progressiven Steuer unterliegen. Diese Maßnahme würde zu mehr Steuergerechtigkeit führen und die Einnahmen der Länder und Kommunen erhöhen. Um Kleinanleger und Sparer vor höheren Steuerbelastungen zu schützen, könnte gleichzeitig der Sparer-Pauschbetrag erhöht werden, sodass Kleinsparer bis zu einem höheren Betrag als heute vollständig steuerfrei bleiben.