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Beschluss des Landesparteitags vom 12. Mai 2012

12.05.2012
A 1 - Gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Gerechtigkeit - Herausforderungen und Perspektiven sozialer Stadtpolitik
1.     Soziale Spaltung bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt Die Globalisierung der Wirtschaft, unregulierte Finanzmärkte und die Konkurrenz der Regionen um Einwohner, Arbeitsplätze und Investoren führen zu mehr sozialer Ungleichheit und Ausgrenzung, besonders in den Großstädten. Unsichere Beschäftigung, verfestigte Arbeitslosigkeit, schlechte Bildungs- und Ausbildungschancen und Armut beeinträchtigen das Leben vieler Menschen. Die Einkommensunterschiede zwischen ärmeren und reicheren Bevölkerungsschichten nehmen bundesweit und auch im Land Bremen zu. Die Zahl der Millionäre wächst ebenso wie die Zahl der Menschen, die für Niedriglöhne arbeiten müssen. Mehr als 30% aller Kinder in Bremen leben in Haushalten, die auf Hartz IV angewiesen sind, in Bremerhaven sind es fast 40%. Diese soziale Spaltung ist in Bremen und Bremerhaven deutlich spürbar – auch und gerade zwischen den verschiedenen Stadt- und Ortsteilen sowie Wohnquartieren. In beiden Städten hat eine sozialräumliche Auseinanderentwicklung mit unterschiedlichen Lebensbedingungen und Lebenslagen stattgefunden. Einzelne Ortsteile und Wohnquartiere laufen Gefahr, von der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung abgehängt zu werden. Soziale Spaltung bedeutet, dass viele Menschen auf Grund ihrer Herkunft und ihrer Lebenslage aus gesellschaftlichen Zusammenhängen herausfallen. Sie sind vom städtischen Leben zunehmend ausgegrenzt. Die Angst davor hat inzwischen auch die Mitte der Gesellschaft erreicht. 2.    Unsere Antwort: Aktiver Sozialstaat und soziale Stadtpolitik  Wir Bremer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verstehen die soziale Spaltung unserer Städte nicht als ein unabänderbares Naturgesetz, sondern als Folge von Massenarbeitslosigkeit und eines zunehmend deregulierten Kapitalismus. Wir wollen sie gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern durch einen aktiven Sozialstaat und eine soziale Stadtpolitik überwinden. Sozialpolitik muss vorausschauend und emanzipatorisch wirken sowie Sicherheit gegenüber alten und neuen Lebensrisiken gewährleisten. Deshalb setzen wir uns auf allen staatlichen Ebenen, in den Ländern und Kommunen, im Bund und in der Europäischen Union, für einen aktiven und finanziell handlungsfähigen Sozialstaat ein, der allen Menschen die Möglichkeit eines guten und selbstbestimmt Lebens eröffnet. Ein zentraler Bestandteil der Sozialpolitik der SPD ist die Schaffung sicherer und gut bezahlter Arbeitsplätze. Hierbei gibt es ermutigende Erfolge:
  • Die Wirtschaft im Land Bremen wächst – stärker als im Bundesdurchschnitt.
  • Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten hat in den beiden vergangenen Jahren wieder zugenommen.
  • Neue Wirtschaftszweige, wie etwa die Windenergieindustrie, sind entstanden und entwickeln sich dynamisch.
Wir müssen diese positiven Entwicklungen weiter fördern und dafür sorgen, dass die Früchte des wirtschaftlichen Wachstums bei allen Menschen ankommen. Das ist für uns ein Gebot sozialer Gerechtigkeit. Mit einer sozialen Stadtpolitik wollen wir auf lokaler Ebene dafür sorgen, dass der soziale Zusammenhalt in unseren Städten gewahrt und die Armut reduziert wird und schließlich alle Bürgerinnen und Bürger über gleiche Teilhabe- und Selbstverwirklichungschancen verfügen können. Eine soziale Stadtpolitik braucht förderliche Rahmenbedingungen auf der Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Je mehr es gelingt, das politische Handeln aller staatlichen Ebenen auf dieses Ziel zu verpflichten, umso besser wird sich der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft weiter entwickeln. 3.     Grundsätze der sozialen Stadtpolitik Soziale Stadtpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Politikfelder betrifft – von der eigentlichen Sozialpolitik, über die Bildungspolitik und Kulturpolitik bis zur Wohnungsbau- und Wirtschaftspolitik. Nur durch gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten lassen sich spürbare und dauerhafte Erfolge erzielen. Soziale Stadtpolitik bietet den Bürgerinnen und Bürgern, Gruppen und Initiativen in Bremen und Bremerhaven die Chance, sich einzumischen und im Sinne einer lebendigen Demokratie Einfluss auszuüben. Für den Erfolg der sozialen Stadtpolitik ist von entscheidender Bedeutung, dass die einzelnen politischen Programme auf die unterschiedliche Situation in den Ortsteilen und Wohnquartieren ausgerichtet sind und weiterentwickelt und korrigiert werden, wenn sie die gewünschte Wirkung nicht entfalten. Die verschiedenen Senatsressorts müssen noch stärker als bisher eine quartiers- und stadtteilbezogene Sichtweise entwickeln und sich besser untereinander koordinieren, um Synergieeffekte vor Ort zu erzielen. Deshalb ist für den Erfolg der sozialen Stadtpolitik, die die soziale Spaltung überwinden will, eine von den lokalen Akteuren und Initiativen maßgeblich getragene soziale Stadtteilentwicklung so wichtig. In Bremen sind die Stadtteilbeiräte besonders wichtige Akteure und Ansprechpartner der sozialen Stadtteilentwicklung. Bei der sozialen Stadtteilpolitik gilt für die SPD der Grundsatz: Dort, wo mehr nötig ist, muss auch mehr getan werden! Stadtteilgerechtigkeit ist für uns ein zentrales Prinzip beim Einsatz der knappen öffentlichen Mittel. 4.    Perspektiven der sozialen Stadtpolitik 4.1.   Soziale Stadtpolitik: Viel erreicht, noch viel zu tun In der rotgrünen Regierungszusammenarbeit seit 2007 hat die SPD im Sinne einer sozialen Stadtpolitik bereits eine Vielzahl von Programmen und Initiativen entwickelt und umgesetzt, so u. a.:
  • den Ausbau der Kindertagesbetreuung mit teilweise verbesserter Personalausstattung und einem kostenlosen Mittagsessen für Mindestbeitragszahler,
  • das Bremisches Schulentwicklungsprogramm mit dem Ziel besserer Bildungschancen für alle Kinder und Jungendlichen, u. a. durch den Ausbau der Oberschulen und Gesamtschulen,
  • die Stabilisierung und Aufwertung der Stadt- und Ortsteile durch eine soziale Stadtteilentwicklung, einen sozialen Wohnungsbau sowie die Fortführung des WIN-Programms (in Bremen),
  • eine Stärkung der Stadtteilpolitik und Ausweitung der Bürgerbeteiligung u. a. durch das neue Beirätegesetz,
  • die Qualifizierung und Förderung von Jugendlichen und Erwachsenen, um möglichst allen Menschen einen Zugang zur Erwerbstätigkeit zu verschaffen,
  • die Schaffung von mehr Plätzen in der Berufsausbildung durch die „Bremer Vereinbarung“ zwischen öffentlicher Hand, Arbeitgebern und Gewerkschaften,
  • die Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro im bremischen öffentlichen Dienst und in den öffentlichen Gesellschaften.
Der Bremer SPD ist es auch in der Koalitionsvereinbarung 2011-2015 gelungen, wichtige Ziele einer sozialen Stadtpolitik zu verankern, um die Teilhabechancen für alle Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, einen sozialen Ausgleich zwischen den Stadt- und Ortsteilen unserer Städte herzustellen sowie die Armut zu reduzieren. Diese Ziele müssen auch weiterhin in den kommunalen Haushalten und im Landeshaushalt ihren Niederschlag finden. Dafür werden wir kämpfen! Besonders wichtig sind für die Bremer SPD die folgenden Ziele sozialer Stadtpolitik:
  • Weiterer bedarfsgerechter und wohnortnaher Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder unter 3 Jahren sowie für die 3- bis 6-jährigen Kinder um Kinder aus benachteiligten Lebenslagen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Dabei ist uns besonders wichtig:
  • eine verbindliche Ausbauplanung auf Stadtteilebene mit Vorstellung und Diskussion auf Planungskonferenzen in allen Stadtteilen, rechtzeitig im Vorfeld des Kindergartenjahres 2012/13,
  • die Ausweitung der Betreuungszeiten, insbesondere auch die sofortige Umsetzung des Rechtsanspruchs für alle Kinder auf mindestens sechs Stunden täglicher Betreuung,
  • bei Aufnahme des hereinwachsenden Jahrgangs (4.-Quartals-
  • Kinder) die personelle Besserstellung für alle Kitas, auch in den Schwerpunktgruppen,
  • mehr und frühere Sprachförderung von Kindern,
  • die Verteilung der Sach- und Personalmittel auf Grundlage eines aktualisierten einrichtungsbezogenen Sozialindex.
  • Bedarfsgerechter Ausbau der Ganztagsschulen mit einer Priorität bei den Grundschulen.
  • Ausweitung und Erprobung neuer öffentlicher Formen der Bürgerbeteiligung (Moderationsverfahren, runde Tische, via Internet etc.).
  • Förderung der Integration der Menschen und Familien mit Migrationshintergrund.
  • Zurücknahme der Kürzungen des Programms „Soziale Stadt“ durch die Bundesregierung und die Absicherung und Fortführung des Landesprogramms „Wohnen in Nachbarschaften“ (WiN).
  • Transfer von kulturellen Programmen, Projekten und Veranstaltungen in sozial benachteiligte Stadtteile.
  • Umsetzung der Menschenrechtskonvention der UN für behinderte Menschen durch einen Aktionsplan.
  • Fortführung von sozialintegrativen Programmen der Arbeitsmarktförderung.
  • Durchsetzung eines Bremischen Mindestlohngesetzes, damit in allen Bereichen, die vom Land und den Stadtgemeinden finanziert oder rechtlich beherrscht werden, niemand unterhalb  eines Stundenlohns von 8,50 EUR arbeitet.
  • Entwicklung eines Handlungskonzeptes für sozial gemischten und bezahlbaren Wohnraum, um der sozialen Entmischung der Stadtgesellschaft entgegenwirken und die bessere Durchmischung der Stadt- und Ortsteile sowie Quartiere zu fördern.
  • Ressort übergreifende Programme der integrierten Stadtentwicklungspolitik für Bremen-Nord und den Bremer Westen.
4.2.    Die große Bedeutung der Bundestagswahlen 2013 für eine soziale Stadtpolitik Der Erfolg einer sozialen Stadtpolitik ist auch davon abhängig, dass der Bund mit seinen politischen Programmen und Mitteln geeignete Rahmenbedingungen schafft. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat stattdessen die Mittel für das Programm Soziale Stadt und die aktive Beschäftigungspolitik gekürzt und Steuergeschenke an Hoteliers und einkommensstarke Gruppen verteilt. Damit ist klar: Wir brauchen 2013 einen Politikwechsel im Bund! Eine Politik, deren Ziel es ist die soziale Spaltung zu überwinden, einen handlungsfähigen aktiven Sozialstaat zu gewährleisten und prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen entgegen zu wirken, wird es nur mit der SPD geben. Deshalb fordern wir für die Bundestagswahl 2013:
  • Eine Steuerpolitik, die dem Staat die notwendigen Mittel an die Hand gibt, um notwendige Investitionen in Bildung und Schulen, den Ausbau der Kindertagesbetreuung sowie die kommunale Infrastruktur zu finanzieren. Dazu werden wir die Steuersätze für höhere Vermögen anheben und mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer endlich die Verursacher der Finanzmarktkrise an den enormen Kosten der staatlichen Rettungsaktionen beteiligen.
  • Die Wiederbelebung der nationalen Städtebaupolitik und nationalen Stadtentwicklungspolitik, um preiswerten und bezahlbaren Wohnraum zu fördern und das erfolgreiche Programm für „Soziale Stadt: Förderung von Stadtteilen mit einem besonderen Entwicklungsbedarf“ wieder ausbauen zu können.
  • Ein regionales Strukturentwicklungsprogramm zur Unterstützung von Kommunen, Städten und Regionen, die sich in einem besonders tiefgreifenden Strukturwandel befinden und infolgedessen unter einer gravierenden Finanznot leiden.
  • Bessere Voraussetzungen für die faire und gerechte Teilnahme am Arbeitsleben durch einen gesetzlichen Mindestlohns und die Regulierung von Leiharbeit sowie weiterer Formen prekärer Arbeit.
  • Eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die Zugänge zum Arbeitsmarkt wieder durch eine Berufsausbildung und ausreichende Qualifizierung ermöglicht und für die Menschen, die am Arbeitsmarktes kaum mehr eine Chance haben, einen sozialen Arbeitsmarkt mit tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen.
Um diese politischen Ziele erreichen zu können, benötigen wir eine starke Sozialdemokratie – in Bremen und Bremerhaven, im Bund und in Europa!