Seitenpfad:

Resolution des SPD-Landesparteitages vom 29. September 2010

29.09.2010
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums statt Grundsicherung nach Kassenlage
Bundesarbeitsministerin von der Leyen hat am Sonntag die Katze aus dem Sack gelassen und ihre Vorstellungen zur Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze präsentiert. Das Ergebnis ist bevormundend, bürokratisch und intransparent. Der SPD-Landesparteitag lehnt die vorgeschlagene Erhöhung der Regelsätze für Erwachsene als nicht ausreichend ab. Wir bezweifeln, dass damit der vom Bundesverfassungsgericht geforderten „Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ Genüge getan wird. Kinder und Jugendliche sind die großen Verlierer der schwarz-gelben Reform. Die Feststellung des Ministeriums, dass die neuen Regelsätze für Kinder und Jugendliche unter den bisherigen liegen müssten, macht das Grundproblem der Berechnung deutlich: Es gilt der falsche Maßstab. Wer nur die niedrigsten Einkommen – inklusive derjenigen, die zu nicht existenzsichernden Löhnen arbeiten und auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind – in die Berechnung der Regelsätze einbezieht, verfestigt die Armut in unserer Gesellschaft. Bildungsausgaben von 0,29 Euro im Monat für Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren lassen sich jedenfalls anders nicht erklären. Die errechneten Regelsätze orientieren sich nicht an den speziellen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen, sondern an der Kassenlage des Bundes. Eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist jedenfalls nicht möglich, wenn zum Beispiel die Kinder zwar Fahrrad fahren sollen, das Geld für die Anschaffung eines Fahrrades im Regelsatz aber nicht berücksichtigt wird. Zwar ist geplant, die Kinderregelsätze durch ein Bildungspaket zu ergänzen. Damit wird allerdings ein verfassungsrechtlicher Teilhabeanspruch in ein bürokratisches Monstrum verwandelt. Die vorgesehenen Leistungen sind unzureichend und sollen ausschließlich in Form von Gutscheinen erbracht werden. Wir kritisieren, §         dass hierdurch die Kinder, die Sozialtransfers erhalten, diskriminiert werden, §         dass der Aufbau einer umfassenden Bürokratie zur Ausgabe und Abrechnung der Gutscheine erforderlich wird, §         dass die Regelung von der Unterstellung ausgeht, dass Hartz-IV-Familien ihr Geld nicht zugunsten ihrer Kinder ausgeben, §         dass der Bund sich anmaßt, zu definieren, was sinnvolle Bildungs- und Teilhabeleistungen auf der kommunalen Ebene sind. Entgegen der Auffassung der Bundeskanzlerin ist die Wahrung des Lohnabstandsgebotes kein Argument für die Unterschreitung des vom Verfassungsgericht eingeforderten menschenwürdigen Existenzminimums. Das Problem sind nicht zu hohe Regelsätze sondern zu niedrigen Löhne vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zur Wahrung des Lohnabstandsgebotes brauchen wir deshalb dringend einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn! Die schwarz-gelbe Bundesregierung offenbart mit ihren Reformvorschlägen einmal mehr, dass sie keine Politik für die Mehrheit der Menschen in Deutschland macht. Hoteliers bekommen Steuergeschenke in Milliardenhöhe, Bankrott-Banker erhalten Millionen an Bonus-Zahlungen und die, die es am nötigsten hätten, werden mit 5 Euro abgespeist. Das ist unsozial und gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land. Die SPD kann der Reform nur dann zustimmen, wenn sich die Bundesregierung erheblich bewegt und bereit ist, den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen und die Regelsätze auf die geforderte Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu erhöhen. Maßstab sind dabei für die SPD nicht die Vorstellungen eines Guido Westerwelle, der schon 359 Euro als Ausdruck „spätrömischer Dekadenz“ empfindet, sondern die tatsächlichen Bedarfe für eine Teilnahme am sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Insbesondere die besonderen Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen – zum Beispiel bei den Ausgaben für Bildung – müssen dabei stärker berücksichtigt werden.